„Hat die Kirche zu viel Macht im Staat?“ – Jugendkonferenz der Jusos Osnabrück-Land zur Trennung von Staat und Kirche

Veröffentlicht am 28.06.2016 in Aus den Arbeitsgemeinschaften

Werden Staat und Religionsgemeinschaften ausreichend voneinander getrennt, oder hat die Kirche zu viel Einfluss? Zu dieser Diskussion luden die Jusos im Landkreis Osnabrück in die Katholische Familienbildungsstätte Osnabrück ein.

Nach einer kurzen und anschaulichen verfassungsrechtlichen Einführung durch Marco Beckmann, in der das Trennungsprinzip und die Übernahme der Weimarer Reichsverfassung erklärt wurden, diskutierten Hans Hentschel (Ev.-luth. Kirchenkreisverband Osnabrück-Stadt und -Land), Dr. Sascha Rother (Humanistischer Verband Niedersachsen), Werner Massow (Kirchengewerkschaft Niedersachsen) und Theo Paul (Generalvikar Bistum Osnabrück) unter der Moderation des stellvertretenden Juso-Bezirksvorsitzenden Daniel Schweer. Schnell wurde unter den Podiumsteilnehmern deutlich, dass die Grundwerte aller Gemeinschaften sich in großen Teilen überschneiden – unabhängig davon, „ob es einen Gott gibt.“

Dass die Kirche heute längst nicht mehr so viel Macht und Einfluss wie im Mittelalter hat, war Konsens unter den Podiumsgästen. „Hexen werden nicht mehr verbrannt“, sagte Massow und lachte. Es gab aber dennoch unterschiedliche Meinungen, ob die Kirchen immer noch zu viel Einfluss haben, beispielsweise als Arbeitgeber in den sozialen Bereichen. Ob die Kirchenmitgliedschaft wirklich in jedem Beruf in kirchlicher Trägerschaft eine Anstellungsvoraussetzung sein sollte, fand durchaus unterschiedliche Meinungen. Hentschel forderte, dass ein Mitarbeiter einer kirchlichen Einrichtung auch Mitglied der Kirche sein sollte.

Uneinigkeit bei der Kirchensteuer

Hans Hentschel und Theo Paul von den beiden christlichen Kirchen verteidigten das derzeitige System der Kirchensteuer. „Die Kirchensteuer hilft, soziale Projekte zu bezahlen“, meinte Hentschel. Doch auch ohne eine Kirchensteuer würde sich die Kirche zwar verändern, aber dennoch Kirche bleiben. Das habe er im Ausland selbst erfahren. Für Paul hilft die Steuer vor allem, Arbeitsplätze zu sichern. „Verlässliche Arbeitsbedingungen gibt es nur bei finanzieller Sicherheit“, meinte er. Massow widersprach dem zum Teil. Viel gesellschaftliches Kapital gehe in die Kirche, welche im Kita-Bereich nur „eine Spitzenfinanzierung“ leiste. Dass es jedoch gut sei, die wirtschaftliche Macht der Kirchen wie in Frankreich zu brechen, glaubt auch er nicht. Nicht vergessen dürfe man, dass der Staat durch die Entschädigung für die Einziehung der Kirchensteuern auch nicht ganz leer ausgehe. Rother schlug stattdessen vor, die Mitgliedsbeiträge nicht mehr über den Staat zu regeln, sondern direkt von den Kirchen einziehen zu lassen.

Der umstrittene „Dritte Weg“

Gerade das Arbeitsrecht und der von den Kirchen praktizierte „Dritte Weg“ ohne Streikrecht und klassische Gewerkschaften gelten derzeit noch als Teil der kirchlichen Selbstbestimmung. Paul verteidigte den „Dritten Weg“ als alternatives Konfliktklärungsmodell. Hentschel, Massow und Rother wünschten sich hingegen, dass auf Dauer das allgemeine Modell auch in den Kirchen Einzug hält. Was könne schon schlimm daran sein, wenn auch in kirchlichen Einrichtungen gestreikt würde? Massow zeigte sich enttäuscht vom Urteil des Bundesarbeitsgerichtes wie weit die Selbstbestimmung der Religionsgemeinschaften reichen dürfe, insbesondere in Bezug auf das Streikrecht.